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Warum es für Eltern mehr kindliche Leichtigkeit braucht

Autorenbild: Oliver DierssenOliver Dierssen

Aktualisiert: 29. Okt. 2024

Ich erinnere mich gut daran, wie es war, als Schulkind nach den Zeugnissen in ein neues Halbjahr zu starten. Nach den Winterferien ist das Jahr ja insgesamt noch jung. Die neue Jahreszahl in die Hefte hineinzuschreiben, fühlt sich noch fremd an. Die Monate liegen vor einem wie eine schneebedeckte Rasenfläche, in die man eigene Fußstapfen setzen kann. Was wird alles geschehen? Darüber machen sich auch Kinder Gedanken. Natürlich ist kein Kinderleben frei von Sorgen, auch meines war es nicht. Dennoch: Mir ist es oft gelungen, die Zukunft als etwas zu sehen, das ich mitgestalten konnte.


Wie anders es doch ist als Erwachsener (und als Elternteil). Man kann zahlreiche anstrengende Pflichten und Herausforderungen aufzählen, die schon auf einen warten. Das neue Jahr ist eben keine schneebedeckte Rasenfläche, die zum Spielen und Schneemannbauen einlädt, sondern für viele Mütter und Väter ein Hindernisparcours, auf dem Lasten getragen, Purzelbäume geschlagen und kaputte Teile aus dem Weg geschafft werden müssen. Eltern müssen dabei trösten und ermutigen, begrenzen, loben und oft die Gefühle von Kindern und anderen Familienmitgliedern schlicht aushalten. Es ist viel.


Die eigenen Bedürfnisse hinten anstellen – vermutlich kennen Sie als Mutter oder Vater das nur allzu gut. Viele Erwachsene machen dies aber häufiger, als es ihnen guttut: Sie räumen das Kinderzimmer eben doch noch schnell selbst auf, bevor der Besuch kommt, anstatt es vom Kind zu verlangen. Ebenso, wie sie den benutzten Kinderteller spät nachts selbst in den Geschirrspüler räumen und für einen Ausflug in den Freizeitpark mit dem Nachwuchs auf ein erholsames Wochenende ohne Trubel und lange Autofahrt verzichten. Vielleicht wissen auch Sie, wie es sich anfühlt, die eigenen Grenzen überschritten zu haben, um niemanden zu enttäuschen.


Es ist nicht leicht, hier das richtige Maß zu finden. Wie sehr sollten wir die eigenen Bedürfnisse zurückstellen, um die Erwartungen der anderen nicht zu enttäuschen? Wie häufig dürfen wir uns selbst auch einmal an die erste Stelle setzen? Kinder brauchen ja beides: Eltern, die die kindlichen Bedürfnisse sehen und ernst nehmen. Und Eltern, die zugleich ihre eigenen Grenzen kennen und sich selbst etwas Gutes tun können.


Am besten fängt man heute schon damit an. Weil Kinder sich auch liebevolle Selbstfürsorge von ihren Eltern abschauen und jeder und jede von uns selbst einmal ein Kind war, das auf das kommende Jahr unbeschwert, frei von Schuldgefühlen und der Last von Verpflichtung geblickt hat. Und es gehört zu den Geheimnissen eines glücklichen Lebens, sich zu erlauben, diese kindliche Leichtigkeit hin und wieder neu zu spüren.


Dieser Text wurde erstmals im Februar 2023 im Redaktionsnetzwerk Deutschland veröffentlicht.

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